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Zurückgerudert

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Die jüngst zu beobachtende Rückstufung vieler so genannter „Artikel 9 Fonds“, kann als solche eigentlich nicht überraschen, allenfalls vielleicht ihre Dimension, bei näherer Betrachtung aber nicht einmal das. Zu offensichtlich hat mancher Anbieter im Zuge der Selbstdeklaration nach EU-Offenlegungsverordnung, den Mund, ob nun bewusst oder unbewusst, zu voll genommen.

Wie konnte es zu solchen Massenabstufungen kommen, fragt man sich. Und was folgt daraus für die Betroffenen, deren Wettbewerber und die allgemeine Bewegung hin zu einer nachhaltigeren Finanzindustrie?

Die Frage nach dem „wie“ führt in verschiedene Richtungen. Beispielsweise könnte es sich um ein Unverständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen gehandelt haben, das zu voreiligen Schlüssen führte und dem erst im Zuge der letzten Klarstellungen zu den technischen Regulierungsstandards ein Erkenntnisgewinn folgte. In diesem Fall wäre anzumerken, dass andere Anbieter die Regularien allem Anschein nach in ihren Details und der Zielsetzung besser verstanden, kaufmännisch umsichtiger handelten und zumindest bisher keinen Handlungsbedarf sehen oder haben.

Was uns zu einer weiteren Lesart führen könnte, dem Kalkül, die Selbstdeklaration in Ermangelung von adäquaten Kontrollen und Konsequenzen wider besseres Wissen zunächst einmal so lange systematisch für Vertrieb und Marketing medienwirksam zu missbrauchen, bis der später dann vorgeschriebene Beleg mittels Daten für Transparenz sorgt und zum Umdenken zwingt. - Die nachgewiesene Fokussierung der Investoren auf „Artikel 9 Fonds“ in den vergangenen Monaten hätte diese Vorgehensweise nebenbei bemerkt, auch belohnt.

Sagen wir es doch mal so: Wer in Verordnungen und Gesetzen Interpretationsspielräume belässt, darf sich nicht wundern, wenn diese Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden. Eine Selbsteinstufung der Anbieter zu fordern, ohne gleichzeitig zum Daten-Nachweis zu verpflichten und diesen zu organisieren, war dem Wunsch nach einem hohen Regulierungstempo geschuldet, im Ergebnis inkonsequent bis naiv und lies nicht nur Türen, sondern sogar Tore offenstehen.

Und da keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten sind, darf man nun gespannt beobachten, ob es zu zivilrechtlichen Urteilen kommt, beispielsweise rund um den Vorwurf irreführender Werbung und wie die Verbraucher die Entwicklungen honorieren. Rechnen sie mit einzelnen Produkten und Anbietern ab und transferieren ihre Investments zu anderen Asset Managern? Oder kommt es vielleicht sogar zur Sippenhaft, einem Ansehensverlust der gesamten Branche und einer Beschädigung der Nachhaltigkeitsbewegung? Schließlich könnte vielleicht der Eindruck entstanden sein, „Greenwashing“ sei eher die Regel als die Ausnahme und die Diversifizierung von Portfolios sei nach Artikel 9 so eingeschränkt, dass Profis sie zu meiden suchen. Das wäre schade für all diejenigen, die täglich bemüht sind, den Gegenbeweis anzutreten. 

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