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Ungeahnte Klumpenrisiken

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Wer dem oft gehörten Rat gefolgt ist, auf einen MSCI World ETF zu setzen, glaubt möglicherweise immer noch, breit diversifiziert zu investieren. Tatsächlich entfallen gut zwei Drittel allein auf US-Aktien. Größte Positionen sind Apple, Microsoft, Alphabet und Amazon.

Wählt man den MSCI All Countries, drückt das den US-Anteil nur wenig auf immer noch beachtliche 61 Prozent und ändert zudem an der Dominanz der IT-Branche nichts. Auch nicht am Verlust im Jahr 2022: Mit beiden Indizes verlor man gut 12 Prozent. Immerhin scheint die schlechtere Performance des auf 50 „very large caps“ fokussierten Dow Jones Global Titans 50 Index den Vorteil (etwas) breiterer Risikostreuung zu belegen: Mit einem ETF auf „die Titanen“ beträgt der Verlust im Jahr 2022 gut 20 Prozent: Größte Titel sind hier Apple mit rund 9 Prozent, Microsoft mit gut 8 Prozent und Amazon mit gut 7 Prozent.

Dass es die Diversifikation des Portfolios nicht stark verbessert, wenn man (zusätzlich) auf einen globalen Index eines anderen Indexanbieters setzt, zeigt sich auch beim FTSE All World Index: Die größten Positionen sind Apple, Microsoft, Alphabet und Amazon. Und auch der Verlust in den vergangenen zwölf Monaten unterscheidet sich mit gut 12 Prozent kaum von den Ergebnissen der MSCI-Indizes bzw. ETFs darauf. „Big is beautiful“: Die Aktien mit der höchsten Marktkapitalisierung erhalten das höchste Gewicht im Index.

Daraus könnte man auf der Suche nach Risikostreuung zwei Schlüsse ziehen, die sich allerdings als voreilig erweisen: Erstens: Themenfonds sorgen für Risikostreuung. Und zweitens: Aktives Management sorgt für Risikostreuung. In beiden Fällen muss man genau hinsehen: Wer beispielsweise in einem Fonds zum Thema „Metaverse“ investiert, findet unter den Top Ten Positionen in aller Regel Apple und Alphabet. Beim ETF auf einen Index „Global Quality Income“ sind Apple und Microsoft die größten Positionen. „Ganz was anderes“ ist gar nicht so leicht zu finden: Beim Indexfonds für „Consumer Dicretionary“ ist Amazon mit über 16 Prozent Anteil die mit Abstand größte Position.

Lieber in Nachhaltigkeit investieren? Auf den Dow Jones Global Sustainability gibt es ETFs: Größte Werte: Microsoft mit 10 Prozent und Alphabet mit 3,3 Prozent. Klimawandel? Im MSCI World Climate Change sind die größten Positionen Apple und Microsoft.

An den vier genannten US-Tech-Giganten kommen auch viele Manager aktiver Fonds offenbar nicht vorbei. So finden sich ein bis zwei der genannten Aktien unter den Top-Holdings der meisten globalen Aktien- und Mischfonds, manchmal auch alle vier. Sie nicht im Portfolio zu haben, wird offenbar als das größere Risiko empfunden. Tatsächlich war es bis November 2021 schwer, mit globalen Aktienindizes mitzuhalten, wenn man auf die großen US-Technologie-Aktien verzichtete. Seit gut einem Jahr ist das nicht mehr so. Nach Netflix, die einst als eine der „FANG“-Aktien in der Gunst der Anleger hochstand, hat inzwischen mit Facebook/Meta ein zweiter Lieblingswert diesen Nimbus verloren. Das sollte Investoren daran erinnern, dass einst hochgeschätzte Unternehmen früher oder später negativ überraschen.

Die verbliebenen vier US-Tech-Giganten qualifizieren sich bei vielen Fondsmanagern unter verschiedenen Aspekten für die hohe Gewichtung. Kursverluste hat das in 2022 aber nicht mehr verhindern können, denn ungeachtet aller Qualitäten: Offenbar ist schon fast jeder in diesen Aktien investiert – und so mancher stärker als das unter dem Gesichtspunkt der Risikostreuung sinnvoll erscheint. Ob aktiv gemanagt oder passiver ETF, ob mit oder ohne thematischen Schwerpunkt: Apple, Amazon, Microsoft und Alphabet mögen herausragend positioniert und für die Zukunft bestens aufgestellt sein. Sie sind aber das Gegenteil eines Geheimtipps: Hoch gewichtet in vielen Aktienindizes und in vielen Depots. Zum Jahreswechsel sollten Anleger darauf achten, dass ihre Portfolioaufstellung für das Jahr 2023 nicht zu einer Wette auf nur vier Aktien wird.

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