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„GlobAllocation“: Weltkonjunktur und Börsenumfeld

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Kurzfristig mag die Börse von (Massen-) Psychologie bewegt werden, schon mittelfristig bestimmt aber die reale wirtschaftliche Entwicklung das Auf und Ab der Kurse. Eine Rezession, also eine Phase mit schrumpfender Wirtschaft, hat somit vielfältige Auswirkungen auf die Kapitalmärkte.

Und so wundert es nicht, dass sich die Börsenexperten in den letzten Wochen des Jahres oft mit der Frage beschäftigen: Kommt 2023 die Rezession? Und was bedeutet das für die Börsen?

Unter Volkswirten und Wirtschaftsexperten herrscht weitreichende Einigkeit darüber, dass die Weltwirtschaft zumindest vor einer Schwächephase steht. Dabei ist davon auszugehen, dass nur eine Minderheit der Länder in eine Rezession rutscht, die der üblichen Definition gerecht wird, nämlich zwei Quartale in Folge weniger gesamtwirtschaftliche Leistung zu erzielen als zuvor.

In seiner kürzlich veröffentlichten Wirtschaftsprognose für das Jahr 2023 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF), dass ein Drittel der Weltwirtschaft in eine Rezession rutscht. Zu den Volkswirtschaften, die weiterwachsen werden, gehört China. Allerdings ist die IWF-Prognose für das Reich der Mitte mit +3,2 Prozent 2023 ein sehr niedriger Wert gemessen am Wirtschaftswachstum Chinas der Vergangenheit. Die USA könnten knapp an einer Rezession vorbeikommen. Der IWF erwartet mit +1,0 Prozent für das Gesamtjahr aber auch für die USA nur wenig Wachstum. Damit fallen die beiden größten Volkswirtschaften der Welt als „Konjunkturlokomotiven“ für andere Länder weitgehend aus. Über ihre Ausfuhren können sonst gerade exportstarke Länder wie Japan und Deutschland von der Nachfrage in den USA oder China profitieren. Dieser Rückenwind dürfte 2023 sehr schwach ausfallen. So könnte das Wachstum in vielen europäischen Ländern noch schwächer als in den USA sein. Für Deutschland und Italien rechnet der IWF jetzt sogar mit einer Schrumpfung des volkswirtschaftlichen Outputs im Jahr 2023 gegenüber diesem Jahr.

In das Bild einer Rezession passen jetzt schon die verschlechterten „weichen Daten“, also die Stimmungsumfragen, die angesichts der Krisen negativ ausfallen. Häufig gelten sie als Frühindikatoren, nicht zuletzt, weil eine schlechte Stimmung bei Unternehmen und Privathaushalten im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu einer Investitions- und Konsumzurückhaltung führt, die dann natürlich den Weg in eine Rezession ebnet. Optimisten verweisen aber darauf, dass „harte“ Daten, also die tatsächliche Industrieproduktion, die Handelsumsätze und ähnliches, besser ausfallen als die Stimmung.

Dieses Paradoxon treffe vor allem auf die USA und die Eurozone zu, sei aber auch in den meisten anderen Industrieländern zu beobachten, meint François Rimeu, Senior Strategist bei der Fondsgesellschaft La Française AM. Oder sei es möglich, dass die Ökonomen – vielleicht zum ersten Mal – richtig liegen, indem sie eine Rezession korrekt vorhergesagt haben, fragt er scherzhaft mit Verweis auf die meist schlechte Prognostizierbarkeit von Rezessionen. Viele Indikatoren sprächen aber tatsächlich für eine Rezession. Eine recht zuverlässige Zusammenfassung von zehn vorausschauenden Indikatoren in den USA lasse erwarten, dass die Rezession in den USA nicht unbedingt schwerwiegend sein dürfte. Der starke Anstieg der Zinsen wirke über die Hypotheken auf den Immobilienmarkt. Das Vertrauen sinke. Die große Mehrheit der Frühindikatoren deute auf ein extrem hohes Rezessionsrisiko in Europa und den USA hin. Ganz kurzfristig werde dies aber von anderen Daten zumindest noch nicht bestätigt. Für eine Rezession brauche es einen schrumpfenden Arbeitsmarkt, was derzeit nicht der Fall sei. Die Zahl der offenen Stellen sei nach wie vor hoch, insbesondere in den Dienstleistungssektoren. Der stärkere Anstieg der Löhne könne den Konsum über Wasser halten. Rimeu fasst die Erwartungen bei La Française AM wie folgt zusammen: „Wir glauben, dass eine Rezession jetzt sehr wahrscheinlich ist, aber sie könnte verzögert eintreten.“

Auch die Experten der Fondsgesellschaft Fidelity konstatieren der US-Konjunktur einen „recht robusten“ Zustand. Die Energiekrise mache eine Rezession in Europa wahrscheinlicher als in den USA. Die US-Inflationsdynamik könne ihren Höhepunkt überschritten haben. Es bleibe aber abzuwarten, inwieweit die Notenbank bei der Straffung ihrer Geldpolitik nun weniger offensiv vorgehe. Für den Fall einer wieder etwas konjunkturfreundlicheren Geldpolitik biete die US-Börse im internationalen Vergleich Erholungspotential. Die Aussichten der Aktienmärkte im Euroraum und in Großbritannien seien aufgrund der schlechteren konjunkturellen Verfassung weiterhin weniger günstig. In einigen Schwellenländern könnten die Börsen von einer Belebung der Konjunktur und einem schwächer werdenden US-Dollar profitieren.

Mit Blick auf die langfristigen Abweichungen von den mittleren Bewertungen sehen das einige Kapitalmarktexperten anders, darunter Norbert Keimling von Taunus Trust. Die Bewertungsschere zwischen dem US-Aktienmarkt und den europäischen Aktien habe sich so weit geöffnet, dass Europa auf Sicht der kommenden Jahre bessere Renditen erwarten lasse. Keimling betont allerdings, dass er nichts von Jahresprognosen hält. Die Abweichungen von den langfristigen Durchschnittsbewertungen würden aber recht gute Renditeprognosen für längere Zeiträume zulassen. Konjunkturelle Schwächephasen mit fallenden Aktienkursen erwiesen sich dann als langfristig gute Einstiegsgelegenheiten.

Die Experten der Fondsgesellschaft PIMCO legen sich stärker auf eine Rezessionsszenario fest: Die Konjunkturmodelle von PIMCO prognostizieren für 2023 eine Rezession in ganz Europa, Großbritannien und den USA. Die Konjunktur in den Industrieländern stehe auch deshalb unter wachsendem Druck, weil die strengere Geldpolitik erst mit einer Verzögerung wirksam werde. Bei PIMCO geht man davon aus, dass dies die Unternehmensgewinne unter Druck setzen werde. Das PIMCO-Basisszenario einer Konjunkturabschwächung oder Rezession würde zu einer deutlichen Störung der Nachfrage führen und den Inflationsdruck verringern, was auch bedeuten würde, dass der Leitzins der US-Zentralbank schon Anfang 2023 seinen Höhepunkt erreichen könnte. Wenn die US-Notenbank dann in die Lage käme, auf weitere Zinserhöhungen zu verzichten oder ihre Leitzinsen sogar zu senken, könnte dies die Schwere einer US-Rezession abschwächen und einen Weg in Richtung eines normaleren wirtschaftlichen Umfelds aufzeigen. Nach Ansicht der PIMCO-Experten sind festverzinsliche Wertpapiere absolut, aber auch relativ im Vergleich zu Aktien attraktiver geworden, wenn man den längerfristigen Horizont betrachte. In Zeiten hoher Inflation und eines Konjunkturabschwungs sei Vorsicht geboten. Aber die Argumente für festverzinsliche Wertpapiere seien überzeugender geworden. Höhere Anfangsrenditen böten ein verbessertes Renditepotenzial, während gleichzeitig Anleihen höherer Qualität im Fall einer Rezession ihre Rolle als zuverlässige Diversifikationsquelle gegenüber Aktien wieder aufnehmen sollten.

Die Einschätzung, dass Anleihen nach den hohen Kursverlusten inzwischen wieder einen größeren Stellenwert haben sollten, hört man von vielen Kapitalmarktexperten. Und dass sich das Rendite / Risiko – Verhältnis von Anleihen verbessert hat, kann auch nicht bestritten werden. Allerdings sollte man auch eine Portion Zweckoptimismus einrechnen, wenn gerade die Anbieter von Anleihefonds jetzt Anleihen für besonders attraktiv halten.

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