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Schwellenländer-Anleihen

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Die Zinsen steigen. Zwar reichen die meisten Zinssätze noch nicht an die aktuelle Inflationsrate heran, sodass die reale Rendite negativ zu sein scheint. Inflationsraten sind aber Vergangenheitsdaten (i.d.R. der Preisanstieg in den vergangenen zwölf Monaten), während die Renditen von verzinslichen Papieren in die Zukunft gerechnet sind (i.d.R. bis zur Endfälligkeit der Anleihe). Wer heute eine Rendite von vier oder mehr Prozent für die nächsten fünf Jahre „einloggt“, hat zumindest die Chance auf eine positive Realrendite, also Zinseinnahmen, die mehr als die Inflationsrate des gleichen Zeitraums ausgleichen.

Nun liegt die Rendite einer deutschen Bundesanleihe allerdings nur knapp über zwei Prozent, die von US-Staatsanleihen (je nach Laufzeit) zwischen drei und vier Prozent. Auf der Suche nach höheren Renditen stößt man auf Anleihen anderer Länder. Insbesondere die festverzinslichen Wertpapiere, sogenannten Schwellenländer bieten höhere Zinsen – auch sieben, acht oder mehr Prozent Rendite. Dem stehen aber natürlich auch andere Risiken gegenüber. In den vergangenen Jahren sich diese Risiken mehrfach bemerkbar gemacht. Das Argument höheren Wirtschaftswachstums half dann nicht. Denn allzu oft zeigte sich, dass selbst hohes Wachstum nicht immer vor Kursverlusten schützt. Die höheren Kursschwankungen sind nicht einmal primär den eigenen wirtschaftlichen Daten geschuldet. Vielmehr ist es die hohe Abhängigkeit von internationalem Kapital, dass die Kursschwankungen auslöst: International agierende Großinvestoren ziehen zuerst ihr Geld aus den sogenannten Emerging Markets ab, wenn sie ihre Risiken senken wollen. Das war im vergangenen Jahr der Fall. Allein die weltweiten Abflüsse aus Fonds für Schwellenländeranleihen, sogenannte „Emerging Markets Debt Funds“, beliefen sich auf rund 85 Milliarden Dollar. Das entspräche rund 13 Prozent dieser Anlageklasse und sei der stärkste Abfluss gewesen, den es je gab, erklärte dazu Arif Joshi, Co-Chef für Schwellenländeranleihen bei Lazard Asset Management in New York. Doch der Kapitalfluss habe sich bereits im Dezember wieder umgedreht. Über die Hälfte der abgezogenen Gelder seien schon wieder zurückgeflossen.

Kapitalmarktexperten halten Schwellenländer-Anleihen auch mit Blick auf die laufenden Leitzinserhöhungen für attraktiver als Staatsanleihen der etablierten Volkswirtschaften. In vielen Schwellenländern sind die Leitzinserhöhungen schon weiter fortgeschritten, während die US-Notenbank Fed und insbesondere die Europäische Zentralbank (EZB) erst spät auf die steigende Inflation reagiert haben, die sie zunächst für einen „vorübergehenden Inflationsbuckel“ hielten. Die Notenbanken vieler Schwellenländer hätten dagegen zum Teil schon früher, als die Fed in den USA und die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht, begründete beispielsweise auch Michael Wehrle, Head Investment Solutions beim Vermögensverwalter BlueOrchard in Zürich seine Hoffnung auf ein Comeback der Emerging-Market-Bonds. Auch andere Experten halten es für wahrscheinlich, dass die Zinserhöhungen deshalb dort früher auslaufen könnten. Während die Rentenmärkte in den etablierten Volkswirtschaften also noch den Gegenwind steigender Leitzinsen ertragen müssten, könnten Anleihen aus Schwellenländern von der Aussicht auf nicht weiter steigende oder sogar fallende Zinsen profitieren.

Auch die Kapitalmarktexperten der Fondsgesellschaft Pictet Asset Management verweisen bei der Suche nach Anleihen mit positiven realen Renditen auf die Zinspapiere aus Schwellenländern. Neben Unternehmensanleihen böten vor allem sie wieder höhere und attraktive Renditen. Dabei sei das Anlageuniversum in den vergangenen Jahren deutlich größer und diverser geworden. Allerdings würden „große fundamentale Divergenzen zwischen einzelnen Ländern und Emittenten“ bestehen. Zweifellos ist die Anlageklasse der Schwellenländer-Anleihen herausfordernder als die Anlage in Staatsanleihen etablierter, sogenannter „entwickelter“ Volkswirtschaften.

Auch Michaël Vander Elst, Fund Manager Emerging Market Debt bei Degroof Petercam Asset Management (DPAM) nannte unlängst Gründe, die im Jahr 2023 für Schwellenländer-Anleihen sprechen, darunter die absolute Höhe der Renditen von Schwellenländer-Anleihen befinden sich auf einem Mehrjahreshoch. Dies biete auch einen Puffer bei Kursschwankungen, bis die Verlustzone erreicht werden. Von der Währungsseite erwartet er eher positive Gewinnbeiträge als Währungsverluste. Die Schwellenländer würden einen positiven Realzins-Puffer gegenüber den Industrieländern aufrechterhalten. Der Zinsvorteil gilt als wichtige Einflussgröße auf die Wechselkurse. Nach dem Rückzug 2022 hätten ausländische Investoren einen Nachholbedarf bei Schwellenländer-Anleihen. Schließlich hätten die Zentralbanken der Schwellenländer in diesem Jahr Spielraum, sogar Spielraum für Zinssenkungen. Der DPAM-Experte erinnert zudem an den Beitrag zur breiteren Risikostreuung, den die Berücksichtigung von Schwellenländer-Anleihen bieten. Auch die wachsende Bedeutung der Schwellenländer für den Welthandel spreche für diese Anlageklasse. Nach Einschätzung von DPAM könne eine gezielte Übergewichtung von Anleihen aus Ländern mit guten ESG-Bewertungen die Qualität der Anlagen verbessern und sich positiv auf die Wertschwankungen des Gesamtportfolios auswirken.

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