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Rasante Berg- und Talfahrt bei Technologie-Aktien

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Der von großen Technologie-Aktien geprägte Nasdaq-100-Index hat eine eindrucksvolle Sommerrallye hinter sich: Von Mitte Juni bis Mitte August verzeichnete der Index ein Plus von gut 24 Prozent. Zum Erreichen eines neuen Allzeit-Hochs, müsste der Index aber trotzdem nochmal um über 30 Prozent steigen.

Die Sommerrallye konnte noch nicht einmal den seit Jahresbeginn ausgebildeten übergeordneten Abwärtstrend brechen. Weil die großen Tech-Aktien großen Einfluss auf die Leitindizes und in vielen Fonds hohes Gewicht haben, beschäftigen sich viele Fondsmanager und Kapitalmarktexperten mit der Frage, wie es mit dem Technologie-Sektor weitergeht.

Dabei gibt es in kaum einem zweiten Sektor so unterschiedliche Geschäftsmodelle. Das gemeinsame Kriterium für Aktien, die dem Technologie-Sektor zugerechnet werden, ist letztendlich, dass die Geschäftsmodelle der Unternehmen entscheidend von neueren Technologien geprägt sind. Damit reicht dieses Anlageuniversum vom Maschinenbauer, der Maschinen für die Halbleiter-Produktion herstellt, bis zum reinen Dienstleister, der seine elektronischen Dienste über Apps bzw. das Internet zur Verfügung stellt.

Gemeinsam ist Tech-Aktien in der Regel, dass der Erfolg der neuen Technologien überproportionales Wachstum der Umsatzerlöse und zumindest in der Zukunft auch der Gewinne erwarten lässt. Das sorgt für große Überschneidungen zwischen Technologie- und sogenannten „Wachstums-“ (englisch „Growth-“) Aktien. Als solche stützt sich die Bewertung der Unternehmen bzw. ihrer Aktien weniger auf gegenwärtige Substanz, also beispielsweise das jetzt bereits vorhandene Eigenkapital, als vielmehr auf die Aussichten auf zukünftige Gewinne. Somit sollten höhere Kursschwankungen, wie sie Tech-Aktien im laufenden Jahr erlebten, keine Überraschung sein: Je weniger sich ein Aktienkurs auf gegenwärtige Substanz stützt, je größer also der Einfluss der Erwartungen an die Zukunft ist, umso stärker können Kursschwankungen ausfallen, weil sich die Erwartungen an die Zukunft schneller ändern können als die vorhandene Substanz sich schlagartig verändert.

Technologie-Aktien sind damit auch besonders anfällig für verschiedene Risiken: Zum einen können sich die Erwartungen an die Zukunft als überzogen erweisen. Dafür lieferte die Aktien-Euphorie in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts ein eindrucksvolles Beispiel. Bekanntlich folgte auf den Höhenflug der Tech-Aktien in den späten 1990er Jahren das Platzen der sogenannten „new economy-Blase“ in der Baisse von 2000 bis 2003.

Ein zweites Risiko von Wachstumsaktien ist die sogenannte „lange Duration“: Während bei Value-Aktien der Aktienkurs größtenteils durch Eigenkapital gedeckt ist und der Aktienkurs bei unveränderten Gewinnen binnen weniger Jahre amortisiert wird, zahlt man bei Growth-Aktien einen hohen Aufschlag auf den Buchwert, eine „Wachstumsprämie“ für die Aussicht auf zukünftige Gewinne. Der Unterschied zwischen gegenwärtigem Kapitaleinsatz und zukünftigen Rückzahlungen ist der Zins. Somit verlieren Wachstumsaktien rechnerisch an Wert, wenn das allgemeine Zinsniveau steigt.

Die hohen Kursverluste bei Technologie-Aktien im ersten Halbjahr waren in erster Linie dem starken Zinsanstieg geschuldet: Angesichts explodierender Inflationsraten und der entsprechend entschlossenen Zinswende der US-Notenbank verdoppelte sich die Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen seit Jahresbeginn von rund 1,5 auf mehr als 3 Prozent. Nach einem Anstieg in der Spitze auf 3,48 Prozent bis Mitte Juni sank die Rendite bis Anfang August auf 2,6 Prozent. Genau in diesem Zeitraum erholten sich auch die Tech-Aktien von ihren hohen Kursverlusten zuvor. Seit Anfang August stiegen die Renditen am Anleihemarkt dann aber wieder, was die Aktienmärkte zunächst noch ausblendeten. Als dann aber in der zweiten Augusthälfte deutlich wurde, dass die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Zinserhöhungen überzogen waren, litten wieder Wachstums- und Technologie-Aktien stärker darunter.

Die offenkundig hohe Zinsabhängigkeit von Technologie-Aktie hat viele Anleger negativ überrascht. Auch Fondsmanager, die stark auf Tech-Aktien gesetzt haben, wurden von der Höhe der Kursverluste im laufenden Jahr „auf dem falschen Fuß“ erwischt. Sie betonen, dass der Kursrückgang in diesem Jahr andere Ursachen hat als nach der „new economy“-Blase vor 20 Jahren. „Dieses Jahr haben größtenteils makroökonomische Faktoren Tech-Aktien belastet, da die Investoren Gegenwind wie Inflation, steigende Zinsen und eine potenzielle Konjunkturverlangsamung, sowie deren Auswirkungen auf Unternehmens-Fundamentaldaten sowie Aktienkurse berücksichtigt haben“, erklärte beispielsweise Denny Fish, Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors. „Unserer Ansicht nach sind die Unternehmen, die auf längere Sicht attraktive Ergebnisse erzielen können, weiterhin diejenigen, die thematisch auf die fortschreitende Digitalisierung der Weltwirtschaft ausgerichtet sind.“

Allerdings würde man es sich zu leicht machen, die Kursverluste bei Technologie-Aktien in allen Fällen allein mit der Zinsentwicklung zu begründen. In vielen Fällen bleiben die Unternehmensergebnisse in diesem Jahr tatsächlich hinter den Erwartungen zurück, die sich nun als überzogen erweisen. Insbesondere können E-Commerce-Unternehmen nicht nahtlos an das Wachstum ihrer Geschäfte anknüpfen, das sie zu Beginn der Corona-Pandemie erlebt hatten. Auch wenn Online-Shopping durch die Pandemie einen unumkehrbaren Schub erlebt hat, fällt das Wachstum aktuell doch in vielen Fällen enttäuschend aus. Dazu trägt bei, dass viele Privathaushalte aufgrund der Belastungen durch die Inflation ihre Konsumausgaben einschränken müssen.

Weniger Wachstum als erhofft gibt es aktuell auch bei der Online-Werbung. Zwar ist der Anteil der Online-Werbung am gesamten Werbemarkt inzwischen auf rund 60 Prozent gestiegen. Aber gerade deswegen macht sich die Konjunkturabschwächung mit gekürzten Werbebudgets bei den Internetplattformen jetzt viel stärker bemerkbar.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass sich die Technologie-Branche nicht vom volkswirtschaftlichen Umfeld abkoppeln kann – auch wenn sich so mancher Investor genau das erhofft hatte. Aber sowohl der Zinsanstieg als auch die Konjunkturschwäche trifft Tech-Unternehmen. Insofern ist der Erkenntnisgewinn dieses Jahres doch vergleichbar mit dem Platzen der „new economy“-Blase vor 20 Jahren, als sich ebenfalls zeigte, dass sich Technologie-Aktien nicht mit eigenen Regeln vom makroökonomischen Umfeld abkoppeln können.

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