Der Internationale Währungsfonds (IWF, englisch „International Monetary Fund“, IMF) hatte seine Prognose für das reale Wirtschaftswachstum in diesem Jahr bekanntlich auf 3,6 Prozent revidiert. Für 2023 wurde die Prognose jüngst von +3,8 auf +3,55 Prozent gesenkt. Der Mittelwert für dieses und das kommende Jahr liegt mit +3,57 Prozent nur noch knapp oberhalb unseres Schwellenwertes von 3,50 Prozent. Bei einem realen Wachstum von weniger als 3,5 Prozent dürfte der Revisionsbedarf bei den Unternehmensgewinnen nach unten zunehmen.
Die Einkaufsmanagerindizes spiegelten zuletzt die sich abkühlenden Erwartungen der Unternehmen wider: Ob für die USA, die Euro-Zone oder Japan – überall äußerten sich die Einkaufsmanager weniger optimistisch als im Vormonat. Je höher die Erwartungen gewesen waren, umso stärker wurden sie jetzt zurückgenommen (d.h. in den USA mehr, in Japan weniger). Für diese Länder und Regionen erwartet eine Mehrheit der Einkaufsmanager aber weiterhin eine Verbesserung. Problem ist oft nicht der Mangel an Auftragseingängen, sondern die von Lieferengpässen, Preiserhöhungen und Knappheiten geprägte Beschaffungsseite.
Während sich der Optimismus im Westen und in Japan abkühlt, kehrt er in China zurück: Der im Vormonat mit 46,0 auf den tiefsten Stand seit Februar 2020 gestürzte Caixin China Manufacturing PMI erholte sich zuletzt auf 48,1. Peking lockerte die drastischen Lockdown-Maßnahmen und bemüht sich auch anderweitig um die schwächelnde Konjunktur. Der globale Einkaufsmanagerindex verbesserte sich leicht von 52,2 auf 52,4 Prozent.
Der Kupferpreis blieb zwischen rund 9.000 und 9.750 Dollar pro Tonne und damit in der untere Hälfte der seit über einem Jahr gültigen Bandbreite. Der Baltic Dry Index für Frachtraten kam zurück. Auch wenn es nicht nach einem übergeordneten Abwärtstrend aussieht, passt der Rückgang über drei, sechs und zwölf Monate zum Bild nachlassender weltwirtschaftlicher Dynamik. Bei den Charterrate für Containerschiffe gilt dies zumindest auf Drei-Monats-Sicht.
Gegenüber dem Vormonat ergibt sich auf unserer „Weltkonjunkturampel“ insgesamt keine Änderung: 4 mal „grün“ und 3 mal „rot“. Die rasante Erholung der Weltkonjunktur nach der Corona-Rezession im Frühjahr 2020 läuft aus, kippt aber nicht sofort in eine neue Rezession. Im Basisszenario gehen wir von knapp 3,5 Prozent realem Wachstum der Weltwirtschaft in 2022 aus.
Belastungen für US-Konjunktur erwarten wir auch vom Arbeitsmarkt dort: Nach erreichter Vollbeschäftigung ist eine Verschlechterung wahrscheinlich. Der für die US-Wirtschaft wichtige Binnen-Konsum wird gleich durch eine ganze Reihe von Faktoren belastet: Zum einen absorbieren die höheren Preise bei Energie (Benzin) und Nahrungsmitteln Kaufkraft. Zum anderen zieht der Zinsanstieg höhere Hypotheken-Raten nach sich und drückt auf die Immobilienpreise. Negative Vermögenseffekte sehen die US-Privathaushalte auch durch die Kursverluste bei Aktien, Anleihen und Kryptowährungen. Letzteres mag nur eine Minderheit treffen. Wenn der theoretische Wert aller Kryptowährungen aber in einem halben Jahr um zwei Billionen Dollar sinkt, trägt auch das dazu bei, dass sich viele nun ärmer fühlen.
Zur Bekämpfung der hohen Inflation hat die US-Notenbank ihre Fed Fund Rate am 15. Juni ein zweites Mal in diesem Zyklus erhöht, nun gleich um 75 Basispunkte auf 1,50 bis 1,75 Prozent. Andere Notenbanken erhöhten ebenfalls ihre Zinsen, darunter überraschend auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) um 50 Basispunkte.
Trotz des nochmal gewachsenen Zinsvorsprungs des US-Dollars hat dieser gegenüber Euro im Mai leicht abgewertet. Per Ende Mai bleibt es beim einem Anstieg der US-Währung über 12 Monate um 12,3 Prozent. Mit 1,073 Dollar pro Euro erholte sich die europäische Gemeinschaftswährung im Mai aber um 1,8 Prozent – wohl in Erwartung einer ersten bevorstehenden ersten Zinserhöhung der EZB.
Noch hält die EZB aber das kurze Ende der Zinsstrukturkurve unter null. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren dagegen erstmals wieder über 1,4 Prozent per anno positiv. Angesichts der hohen Inflation glaubt der Markt nicht mehr, dass die EZB eine Konjunkturschwäche mit Zinssenkungen abfangen kann. Wer glaubt, diesmal müsse der Rentenmarkt eine Rezession mit einer inversen Zinsstruktur ankündigen, könnte falsch liegen.
Die meisten Aktienindizes befinden sich in übergeordneten („sekundären“) Abwärtstrends. Im Juni sind viele auf neue 52-Wochen-Tiefs gefallen. Relative Stärke zeigten zuletzt einige asiatische Märkte, darunter Japan und China. Aktien des Energie- und Grund-/Rohstoff-Sektors konsolidieren die Kursgewinne der Vorwochen. Die relative Schwäche der Technologie-Sektors setzte sich erwartungsgemäß fort.
Antizyklisch bieten sich weiterhin die Branchen Finanzen, Telekom und Biotechnologie für einen langfristigen Positionsaufbau an. Angesichts der negativen Trendindikationen sollten Investments aber lieber per Sparplan oder zumindest in mehreren Tranchen erfolgen, auch wenn die fundamentale Bewertung dieser Sektoren gemessen am eigenen historischen Durchschnitt und am Gesamtmarkt inzwischen günstig ist. Bei Technologie-Aktien ist dagegen noch Zurückhaltung angebracht, denn die hohen Kursverluste sind rechnerisch nachvollziehbar – und insgesamt noch keine Übertreibung nach unten. Eine rasche und weitreichende Erholung der gefallenen Tech-Aktien ist nicht zu erwarten. Selektiv bietet der Sektor aber Chancen.
