Der Internationale Währungsfonds (IWF, englisch „International Monetary Fund“, IMF) hat seine Prognose für das reale Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf 3,6 Prozent revidiert. Für 2023 blieb die Prognose noch bei +3,8 Prozent. Damit wäre die Weltwirtschaft aber noch von einer Rezession entfernt. Reales Wachstum von mindestens 3,5 Prozent sollte Unternehmen mehrheitlich ein Umfeld bieten, ihre Gewinne steigern zu können.
Die Einkaufsmanagerindizes zeigen, dass sich der vom Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 zunächst größtenteils synchronisierte Konjunkturzyklus wieder auseinander entwickelt: Der Caixin China Manufacturing PMI fiel mit 46,0 auf den tiefsten Stand seit Februar 2020! Der Markit US Manufacturing PMI stieg dagegen mit 59,2 auf den höchsten Stand seit Oktober vergangenen Jahres.
Der Kupferpreis, dem auch gute Prognosequalitäten für die Weltkonjunktur zugesprochen werden, pendelt seit seinem Anstieg vor gut einem Jahr zwischen rund 9.000 und 10.750 Dollar pro Tonne seitwärts. Zuletzt drückten Sorgen den Preis in die untere Hälfte der Bandbreite. Uneinheitlich fällt der Blick auf Fracht- und Charterraten im internationalen Schiffsverkehr aus. Unterm Strich stehen von den 7 Indikatoren unserer „Weltkonjunkturampel“ immerhin noch 4 „auf grün“, aber 3 „auf rot“.
Im Basisszenario gehen wir von rund 3,5 Prozent realem Wachstum der Weltwirtschaft in 2022 aus.
Die Inflation dürfte aber das ganz Jahr über hoch bleiben. Mit 8,5 Prozent bzw. 7,5 Prozent lagen die Inflationsraten in den USA und in Euroland deutlich über denen aus dem April des Vorjahres (4,2 bzw. 1,6 Prozent). Am 4. Mai hat die US-Notenbank ihre Fed Fund Rate um 50 basispunkte auf 0,75 bis 1,00 Prozent angehoben. Weitere Leitzinserhöhungen durch die Fed und erste Schritte der EZB gelten als ausgemachte Sache.
Der bislang gewachsene Zinsvorsprung des US-Dollars hat diesen gegenüber anderen Währungen aufwerten lassen, insbesondere auch gegenüber Euro und Yen. Per Ende April ergibt sich ein 12-Monats-Anstieg der US-Währung um 12,3 Prozent auf 1,054 Dollar pro Euro.
Auch wenn sich die Zinsstrukturkurve verflacht hat, invers ist sie noch nicht. Der Euro-Geldmarktzins wird von der EZB bislang rund 53 Basispunkte im negativen Bereich gehalten. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren dagegen erstmals wieder mit über einem Prozent per anno positiv.
Dass die „Börsenampel“, die das Umfeld für Aktieninvestments beleuchtet, unterm Strich unentschieden ausfällt, liegt am saisonalen Muster, das von Mai bis Oktober, den statistisch schlechteren 6-Monats-Zeitraum sieht.
Dazu passen die übergeordneten Trends der meisten Aktienindizes, denn sie sind abwärtsgerichtet. Die Trendstärke, das Verhältnis (sehr weniger) neuer Hochs zu (sehr vielen) neuen Tiefs und trendfolgende Indikatoren sprechen für einen Bärenmarkt, in dem sich die meisten Aktienmärkte spätestens seit Ende Februar befinden. Der chinesische Aktienmarkt, die Technologie-Branche und der zyklische Konsum zeigen fortgesetzte relative Schwäche. Nur der Aufwärtstrend des Energie-Sektors wurde in den vergangenen Wochen mehrfach bestätigt. Aktienindizes für den Grund- und Rohstoffsektor konsolidieren ihre hohen Gewinne im laufenden Jahr.
Antizyklisch bieten sich die Branchen Finanzen, Telekom und Biotechnologie für einen langfristigen Positionsaufbau an. Angesichts der negativen Trendindikationen sollten Investments vielleicht lieber per Sparplan oder zumindest in mehreren Tranchen erfolgen, auch wenn die fundamentale Bewertung dieser Sektoren gemessen am eigenen historischen Durchschnitt und am Gesamtmarkt inzwischen günstig ist.
Umgekehrt ist der stark gestiegene Energiesektor, also vor allem Aktien von Ölkonzernen, noch nicht wirklich hoch bewertet, sondern erscheint durch den starken Gewinnanstieg fundamental gut begründet. Somit erscheint ein prozyklisches „Halten“ eher angemessen als schon antizyklische Gewinnmitnahmen.
Weiterhin mit großer selektiver Vorsicht gilt es, Technologie-Aktien zu betrachten. Nachdem sehr lange antizyklisch zu Gewinnmitnahmen bei den sehr hoch bewerteten Tech-Werten geraten worden war, ist der weitreichende Kursniedergang in diesem Jahr fundamental nachvollziehbar – und noch keine Übertreibung nach unten, wenn es auch Ausnahmen geben mag.
