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ETF-Anleger weiter aktiv

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Das schwierige Börsenumfeld aus Inflations- und Zinsanstieg, Russlands Krieg gegen die Ukraine und Chinas rigider Corona-Lockdown-Politik hat in den vergangenen Monaten Spuren beim Verhalten der Anleger hinterlassen. Ausgerechnet Fonds, die sich lange Zeit überdurchschnittlich gut entwickelt hatten, verzeichnen im laufenden Jahr größere Verluste. Die Statistiken zeigen, dass gerade bei einigen spezialisierten Fonds das Vertrauen der Anleger in aktive Fondsmanager abgenommen hat. Oft überwiegt prozyklisches Verhalten: Dort, wo Verluste entstanden sind, ziehen Anleger ihr Kapital ab. Meist hat sich das als langfristig falsch erwiesen.

Bemerkenswerterweise sind bei börsengehandelten ETFs („Exchange Traded Funds“) gegenteilige Muster erkennbar. Hier versuchen sich manche Anleger offenbar „antizyklisch“ zu verhalten. Aber auch das kann sich als falsch erweisen, wenn das Timing nicht stimmt.

Immerhin haben sich die ETF-Anleger vom schwierigen Börsenumfeld nicht abschrecken lassen: In den ersten vier Monaten des Jahres sind ETFs laut dem jüngst von der Investmentgesellschaft Amundi veröffentlichten Report weltweit 281 Milliarden Euro mehr zu- als abgeflossen, davon über 100 Milliarden Euro noch im März, also nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, der ja am 24. Februar begann. Im April waren es dann allerdings nur noch knapp 23 Milliarden Euro, was man als Reaktion auf die anhaltenden Sorgen um Krieg und Inflation werten muss. In den USA gab es in im April sogar Nettoabflüsse aus Aktien-ETFs in Höhe von umgerechnet 12,4 Milliarden Euro. Trotzdem entfiel mit 206 Milliarden Euro seit Jahresbeginn der größte Teil der neu angelegten Gelder auf Aktien-ETFs. In ETFs für weltweite Anleihe-Investments flossen seit Jahresbeginn nur 52,4 Milliarden Euro an Neugeldern, wobei die nach Emissions- und Handelsvolumen führenden Staatsanleihen mit 42,3 Milliarden Euro das beliebteste Segment waren. Nach Laufzeiten der Anleihen nahm der Mut zu, erstmals wieder auf längere Laufzeiten zu setzen, obwohl diese auf Zinsveränderungen stärker reagieren als sogenannte „Kurzläufer“. So konnten Umschichtungen von ETFs für kurz- in ETFs für länger laufende Anleihen beobachtet werden. Offenbar erwarten diese Anleger antizyklisch, dass nach den hohen Kursverlusten bei langlaufenden Anleihen das Rendite/Risiko-Verhältnis besser geworden ist.

Der jüngste „Flow Report“ des großen ETF-Anbieters Amundi beziffert die Zuflüsse in ETFs für Staatsanleihen seit Jahresbeginn in Europa auf 6,3 Milliarden Euro. Im April beschleunigte sich die Nachfrage nach Staatsanleihen-ETFs auf netto zwei Milliarden Euro (gegenüber 1,3 Mrd. Euro im März). Besonders beliebt waren US-Staatsanleihen. Offenbar bewerten Anleger das Rendite / Risiko – Verhältnis von westlichen, insbesondere von US-Staatsanleihen als verbessert. Dagegen zogen Anleger seit Jahresbeginn umgerechnet 2,9 Milliarden Euro aus chinesischen Staatsanleihen ab, davon allein im April 1,9 Milliarden Euro. Dort waren im laufenden Jahr Kursgewinne entstanden, so dass auch dieses Verhalten als „antizyklisch“ eingestuft werden kann. Dass insgesamt mehr Geld in Anleihe-ETFs als Aktien-ETFs floss, zeigt aber doch die Vorsicht, die ETF-Anleger „sichere Häfen“ bevorzugen lässt.

Bei Aktien-ETFs war das Verhalten der Anleger weniger antizyklisch: So blieben global ausgelegte Referenzindizes wie der MSCI Welt am beliebtesten. Bei den geografisch spezialisierten Aktien-ETFs verzeichnete der US-Aktienmarkt weitere Zuflüsse. Aus Eurozonen- und Japan-Aktien-ETFs zogen Anleger dagegen 2,8 Mrd. Euro bzw. 2,3 Mrd. Euro ab. Auch ETFs für Eurozonen-Indizes erlebten Nettomittelabflüsse (von rund einer Milliarde Euro).

Bei den ETFs für Themen- und Branchenindizes blieben Klima-ETFs mit 2,6 Milliarden Euro Nettomittelzuflüssen am beliebtesten, gefolgt von ETFs auf den Energiesektor mit einem Plus von 1,9 Milliarden Euro. Auch letzteres ist eher ein prozyklisches Investment, denn dank gestiegener Ölpreise befinden sich die Aktien der Ölkonzerne schon seit einiger Zeit in Aufwärtstrends. Auch der Value-Ansatz erfreute sich angesichts seiner relativen Stärke prozyklischer Beliebtheit: Value-ETFs flossen in den ersten vier Monaten des Jahres netto 3,8 Milliarden Euro zu. Im April begannen Anleger aber an der relativen Outperformance zu zweifeln und zogen netto 200 Millionen Euro aus Value-ETFs ab. Die Zuflüsse in nachhaltige ESG-Aktienstrategien hielten zwar an (10,4 Mrd. Euro von Januar bis Ende April), aber die Dynamik ließ merklich nach: Im April flossen ESG-Strategie-ETFs netto nur noch 1,4 Milliarden Euro zu.

Das aktive Verhalten der ETF-Anleger zeigt, dass diese um ihre Verantwortung für Erfolg und Misserfolg ihrer Investments wissen: Wer zu falschen Zeit in einem fallenden Index investiert ist, macht die Kursverluste ungebremst mit. Ohne eigene Timing-Entscheidungen erweisen sich ETFs als riskanter als viele glauben. In den vergangenen Monaten erlitt man sowohl mit globalen Aktien- als auch Anleihe-ETFs Verluste. Gleichzeitig waren mit spezialisierteren ETFs Kursgewinne möglich. Vielen Anleger laufen deshalb Gefahr, mit ETFs Trends „hinterherzulaufen“. Der Einsatz von ETFs sollte einer professionellen und ausgereiften Strategie folgen, die dann aber auch konsequent umgesetzt wird.

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