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„GlobAllocation“: Konjunktur und Geldpolitik

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Die Weltbank kehrte bei der Prognose des Weltwirtschaftswachstums nach zwischenzeitlich schlechteren Einschätzungen zur früheren Größenordnung von rund drei Prozent zurück: Für 2023 lautet die Prognose jetzt +2,9 Prozent und für 2024 +3,1 Prozent.

Allerdings gelten diese Zahlen für die Weltwirtschaft als Ganzes – also insbesondere unter Einbeziehung der Schwellenländer, von denen wiederum China den größten Teil des Wachstums beisteuern soll. Rezessionen in einzelnen Volkswirtschaften sind also durchaus möglich. Wachstumsimpulse sollen verstärkt von China kommen, nachdem dort Corona für besiegt erklärt wurde. Tatsächlich zeigt der Caixin China Manufacturing PMI als Einkaufsmanagerindex für China einen Aufschwung: Mit 51,6 wurde der höchste Wert seit dem Zwischenhoch Mitte vergangenen Jahres bei 51,7 erreicht. Dies trägt maßgeblich zur Verbesserung des globalen Einkaufsmanagerindex von JP Morgan bei, der damit exakt den Schwellenwert von 50,0 erreicht. Darunter bleiben die Einkaufsmanagerindizes für Europa/Euroland (48,5), Japan (47,7) und die USA (47,3). Das bestätigt das schon 2022 für 2023 an dieser Stelle prognostizierte Szenario „einer Abschwächung, aber nicht einer harten Rezession“.

Die Experten der internationalen Fondsgesellschaft Fidelity urteilten unlängst: „(…) angesichts der überraschend robusten Konjunktur könnten die Notenbanken in den entwickelten Ländern ihre Geldpolitik weiter straffen. Damit ist speziell in den USA das Risiko verbunden, dass es letztlich zu einer zyklischen Rezession kommt“. Somit erweist sich auch die frühere hier gemachte Einschätzung als zutreffend, wonach „inzwischen ein Unterschreiten der 2,5-Prozent-Marke (beim realen Wachstum der Weltwirtschaft in 2023) nicht mehr viel unwahrscheinlicher als ein Wert darüber ist“.

In den ersten Wochen nach dem Beginn des russischen Vernichtungskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 (in Abgrenzung zum Beginn des russischen Angriffskrieges zur Besetzung von Teilen der Ukraine 2014) gab es Kapitalmarktexperten und Fondsmanager, die auf eine rasche Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland hofften. Dies hat sich als realitätsfernes Wunschdenken erwiesen. Selbst mit einer Einstellung der Kampfhandlungen wäre eine Normalisierung für viele Jahre nicht zu erwarten. Der russische Diktator stützt seinen Machterhalt auf das Narrativ eines „Krieges des Westens“ gegen Russland. Eine Wiederherstellung der völkerrechtlich anerkannten Grenzen dürfte selbst im bestmöglichen Szenario eines Kollapses der russischen Frontlinie nicht rasch zu erreichen sein. Vor einer Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen steht zudem die Frage der russischen Reparationszahlungen an die Ukraine. Es ist kaum vorstellbar, dass der Westen den Wideraufbau der Ukraine schultert, während russische Auslandsvermögen geschont werden. Wahrscheinlich und angemessen wäre also ein Lösungsvorschlag, wonach ein Teil der wieder zuzulassenden russischen Rohstoffexporte als Reparation an die Ukraine fließt. Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt aber, dass Staaten oft erst nach vielen Jahren Wirtschaftssanktionen den Realitäten ins Auge zu blicken. (So bot Libyen erst 2002 an, 2,7 Milliarden US-Dollar Entschädigung für die 270 Todesopfer des Lockerbie-Anschlags 1988 zu zahlen, wenn die Sanktionen gegen das Land gelockert würden.) Die juristische Aufarbeitung der großen Zahl russischer Kriegsverbrechen wird viele Jahre in Anspruch nehmen. Allein der Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges MH17 in den ersten Tagen des Krieges 2014 mit 298 Todesopfern durch russische Täter ist ein offener Punkt. Dass in diesen Fällen große Beharrlichkeit und Geduld notwendig ist, zeigt etwa die Aufarbeitung des Jugoslawien-Kriegs. Der serbische Kriegsverbrecher Milosevic wurde 1999 angeklagt, als er noch amtierender Staatschef war. Er wurde 2001 ausgeliefert. Der Kriegsverbrecher Karadzic wurde erst 2008 von Serbien ausgeliefert.

Nachdem in den ersten Wochen dieses Jahres die meisten Aktienindizes sich soweit verbessert hatten, dass von sekundären, also übergeordneten Aufwärtstrends auszugehen war, hat sich die Trendstärke in zwischen soweit abgeschwächt, dass eher von einer trendlosen Phase, also einer Seitwärtsbewegung auszugehen ist. Kursverluste mag man zunächst noch als Korrektur in den recht jungen Aufwärtstrends verstehen. Dies gilt insbesondere für die überdurchschnittlichen Kursverluste bei chinesischen Aktien und bei Rohstoffaktien. Aber eine Bestätigung der Aufwärtstrends durch neue Impulsbewegungen nach oben wird in den kommenden Wochen zunehmend wichtiger, weil sonst die Gefahr von Verkaufssignalen steigt.

Unter Einbeziehung der fundamentalen Bewertung empfiehlt unsere „Timing-Uhr“ weiterhin antizyklisch einen Positionsaufbau in den Branchen Finanz- und Telekom-Werte. Nach geografischen Märkten hat die relative Outperformance (gegenüber dem von US-Aktien geprägten MSCI World) von Europa- und Japan-Aktien gute Aussichten auf eine Fortsetzung. Antizyklische (Teil-) Gewinnmitnahmen bzw. eine Verringerung des Engagements empfiehlt sich weiterhin für den indischen Aktienmarkt, der fundamental hoch bewertet ist. Unter den etablierten / entwickelten Volkswirtschaften gilt dies tendenziell auch für den US-Aktienmarkt. Allerdings wird hier seit Jahren die durchschnittliche Bewertung von relativ wenigen, aber hoch gewichteten Aktien nach oben verzerrt.

Auch die Experten von Fidelity urteilen, dass „die US-Börse aufgrund der Wachstumsrisiken infolge der Straffung der Geldpolitik und der vergleichsweise teuren Bewertungen nach wie vor rückschlagsgefährdet ist. Etwas aufgehellt haben sich die Perspektiven im Euroraum, wo fallende Energiepreise für gewisse Erleichterung sorgen. Unverändert gute Chancen bieten die Märkte der Schwellenländer, nicht zuletzt aufgrund des Nachfrageimpulses aus China.“

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