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„GlobAllocation“: Konjunktur und Geldpolitik

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Die Aktienmärkte haben seit Anfang Oktober, dem Tiefpunkt des vergangenen Jahres, deutlich zugelegt. Insbesondere seit Jahresbeginn gewannen die meisten Aktienindizes stärker. In den ersten sieben Wochen erholte sich der Nasdaq-100 um 13,0 Prozent; der Euro-STOXX-50 konnte seit dem Jahreswechsel um 12,7 Prozent steigen und der DAX um 11,2 Prozent.

Der Jahresauftakt ist damit besser ausgefallen als zu erwartet war. Die Weltwirtschaft hält sich besser als befürchtet. Die US-Konjunktur ist noch nicht in eine Rezession abgerutscht und Westeuropa hat trotz der von Russland gekappten Gasversorgung eine schwerere Energiekrise vermieden. Impulse werden von der Belebung der chinesischen Wirtschaft nach dem Abschied von der rigorosen Null-Covid-Lockdown-Politik erwartet. Der IWF hob seine globale Wachstumsprognose für dieses Jahr bereits leicht an. Die Inflation geht zwar etwas zurück, liegt aber noch deutlich über der Zielgröße von zwei Prozent. Inzwischen droht sich die Teuerung durch sogenannte Zweitrundeneffekte auf zu hohem Niveau zu verfestigen. Auch die Kapitalmarktexperten von ODDO BHF sehen dadurch „die Notenbanken in einer schwierigen Lage: Sollen sie die geldpolitische Straffung fortsetzen und damit das Risiko eingehen, die Wirtschaft zu schwächen, oder früher auf die Stopptaste drücken, was den Inflationsdruck wieder anheizen würde?“. Der Chefökonom von ODDO BHF, Bruno Cavalier, geht davon aus, dass die USA sich auf der letzten Etappe des Straffungszyklus befinden, während die Eurozone noch einige Zinserhöhungen sehen dürfte.

John Lloyd, Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors rechnete unlängst vor, dass es bei einem unveränderten Inflationsrückgang länger dauern dürfte, bis das Inflationsziel der Federal Reserve erreicht sei. Dies würde für höhere Zinssätze der Federal Reserve über einen längeren Zeitraum sprechen. Der Terminmarkt preise mindestens zwei weitere Zinserhöhungen der Fed um je 25 Basispunkte ein.

François Rimeu, Senior Strategist bei La Française Asset Management, unterstreicht die Bedeutung der Rohstoffpreise, insbesondere der Energiepreise. Die Öl- und Gaspreise seien in den letzten sechs Monaten deutlich gesunken und hätten maßgeblich zum Inflationsrückgang beigetragen. Ein erneuter Anstieg der Energiepreise würde die Arbeit der Zentralbanker erheblich erschweren und zu allgemein höheren Zinsen führen. Dies würde sich negativ auf alle festverzinslichen Anlagen und wahrscheinlich auch auf die Aktienmärkte auswirken. Es könnte sein, dass die Zentralbanker demnächst die Geldpolitik zu sehr straffen, was zu einer Rezession führen könnte. Eine „weiche Landung" sei historisch gesehen sehr schwer zu erreichen. Auf lange Sicht sehen man bei La Française in risikoarmen festverzinslichen Anlagen derzeit gute Chancen. Da man nicht glaube, dass eine hohe Inflation langfristig anhalten werde, könnten risikoarme festverzinsliche Anlagen ein günstiges Rendite-Risiko-Verhältnis aufweisen. Dies könnte insbesondere für Finanzanleihen gelten, wenn man bedenke, wie solide die Banken seit der Krise von 2008 geworden seien.

Stephen Dover, Chief Market Strategist beim Franklin Templeton Institute, sieht wie andere Beobachter auch, klare Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung in den USA. Einzelne Indikatoren seien „besonders besorgniserregend“. Die Verbraucherstimmung befinde sich auf dem tiefsten Stand seit fünf Jahrzehnten. Die Diskrepanz zwischen den aktuellen und den zukunftsgerichteten Stimmungswerten sei groß, was in der Regel ein guter Indikator für eine Rezession sei. In jüngster Zeit habe sich zudem die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe verschlechtert. Der schwächste Sektor in den USA sei der Wohnungsbau. Die Baugenehmigungen seien über einen großen Teil des Jahres 2022 hinweg rückläufig gewesen und im Dezember erneut zurückgegangen, ebenso wie die Verkäufe bestehender Eigenheime. Die Stimmung unter den Bauherren von US-Einfamilienhäusern habe sich in den letzten 12 Monaten immer weiter verschlechtert. Die Hauspreise seien in vielen Regionen der USA inzwischen rückläufig.

Der US-Arbeitsmarkt halte sich gut. Aber inzwischen zeigten sich „auch hier erste Risse, denn die Arbeitsmarktkomponente fiel im Dezember zum ersten Mal in den negativen Bereich“. Eine Rezession in den USA seit heute wahrscheinlicher als je zuvor seit 1970. Der hauseigene Rezessionswahrscheinlichkeitsindex zeige nicht mehr „gelb“ an – er leuchte derzeit „rot“. Sehr langfristig orientierte und risikobereite Anleger könnten Marktverwerfungen, die bei einer drohenden Rezession auftreten, nutzen, um bei Value-Werten günstig einzusteigen. Andere Anleger sollten vielleicht eine kurzfristige Umschichtung in sicherere Finanzinstrumente in Betracht ziehen. Staatsanleihen seien ein sichererer Hafen. Wenn sich die US-Wirtschaft auf eine Rezession zubewegt, würden Staatsanleihen wahrscheinlich positive Renditen erzielen. Ein schwaches Wachstum oder eine Rezession verringere die Kreditnachfrage des privaten Sektors und drücke damit tendenziell die Realzinsen. Die Inflation werde eher sinken als steigen, was die Anleiherenditen weiter drücken werde. Auch würden risikoscheue Anleger bei Rezessionen von Unternehmensanleihen auf Staatsanleihen umsteigen. Die Unternehmensgewinne würden absolut gesehen „mit ziemlicher Sicherheit“ zurückgehen, wenn die Wirtschaft in eine Rezession abgleite. Der Konsens unter Unternehmensanalysten würde aber noch einen Anstieg der US-Unternehmensgewinne im Jahr 2023 erwarten. Wenn sich die Analysten gezwungen sehen würden, ihre Gewinnprognosen deutlich nach unten zu korrigieren, würden die Aktien wahrscheinlich unter Druck geraten. Bei Unternehmensanleihen würden die Ausfallquoten 2023 wahrscheinlich steigen, womit eine „sorgfältige Beurteilung der Kreditrisiken immer wichtiger“ werde.

Während Fondsmanager mit Neigung zu Wachstums- und Technologieaktien auf eine Erholung setzen, verweisen andere Fondsmanager auf die besseren Chancen von Substanzaktien. In den ersten fünf Wochen dieses Jahres verzeichnete der MSCI Growth als globaler Index für Wachstumsaktien ein Plus von 11,8 Prozent, der MSCI Value für Substanzaktien nur einen Anstieg um 4,4 Prozent. Geschäftsergebnisse und Ausblicke der Unternehmen liefern für diesen Unterschied keinen fundamentalen Grund. Dahinter steht vielmehr die Erwartung, dass die US-Notenbank Fed schon in diesem Jahr ihre Politik entschlossener Zinserhöhungen beenden wird. Allerdings könnten die Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) auch noch das ganze Jahr damit verbringen müssen, die Inflation wieder in die Richtung des erklärten Ziels von nur zwei Prozent zu drücken. Die EZB wird erst noch beginnen, ihre riesigen Anleihebestände abzubauen. Allein das wird den Kapitalmärkten jeden Monat 15 Milliarden Euro entziehen.

Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der restriktiveren Geldpolitik waren mit der Erwartung einer ausgeprägten Schwächephase der Konjunktur verbunden. Wenn sich die Wirtschaft jetzt besser entwickelt als vor ein paar Monaten befürchtet wurde, bleibt der Inflationsdruck höher. Ein Zinsanstieg drückt den Wert von sogenannten „long duration assets“, also auch Wachstums- und Technologieaktien. Das war 2022 eindrucksvoll zu sehen. Es ist also keinesfalls sicher, dass sich dies in diesem Jahr schon umkehren wird.

Bei der Bewertung von Technologie- und vermeintlichen Wachstumsaktien sollte zudem ein zweiter Faktor betrachtet werden: Die Bewertungen stützen sich auf die Annahme eines anhaltend hohen Wachstums von Umsatzerlösen und Gewinnen. Wenn das tatsächliche Wachstum den Erwartungen nicht gerecht werden kann, ist es mit der Kurserholung der Tech- und Growth-Aktien schnell vorbei. Und die jüngsten Quartalszahlen von Apple, Amazon und Alphabet bestärken diesen Eindruck.

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