FONDS SCOUT

Diese Schockwellen waren zu erwarten

Diese Episode auf Social-Media Plattformen teilen:
Nachdem der Januar Aktieninvestoren einen erfreulichen Start in das neue Jahr beschert hatte, sorgten ein KI-Modell aus China und Zölle der USA für spürbare Rückschläge. Viele Marktteilnehmer wurden offenbar auf dem falschen Fuß erwischt, aber wirklich überraschend kam beides nicht.

Anfang Februar verkündete US-Präsident Trump sofort in Kraft tretende Zölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China. Zur Erinnerung: Seit den spätem 1980er-Jahren hatte man sich in Nordamerika um niedrigere Zölle bemüht, 1994 die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA gegründet, um die Zölle zwischen den USA, Kanada und Mexiko abzubauen. Zwar wurden die Zollerhöhungen gegen die beiden Nachbarstaaten der USA zunächst einmal für einen Monat ausgesetzt, doch die Verunsicherung vieler Marktteilnehmer wurde nochmals erhöht. „Was wir gerade sehen, ist das Worst-Case-Szenario“, schrieb George Saravelos von der Deutschen Bank in einer Analyse. China kündigte schon Gegenmaßnahmen an, worauf Trump mit einer weiteren Eskalation drohte. Ob die Hoffnung vieler Marktteilnehmer auf weitere „Deals“ berechtigt ist, bleibt abzuwarten. Wunschdenken ist an der Börse gefährlich.

Noch bevor der Beginn der Handelskriege die Märkte belasteten, hatte zum Auftakt der letzten Januarwoche das chinesische Start-up DeepSeek mit seinem KI-Modell „R1“ für Kursverluste gesorgt. Berichte über dessen Kosteneffizienz und Leistungsfähigkeit ließen Zweifel an den hohen KI-Investitionen in den USA aufkommen. Aktien mit KI-Bezug gerieten erheblich unter Druck, weil das DeepSeek-R1-Modell offenbar viel weniger Investitionen erfordert als bislang für „Künstliche Intelligenz“ veranschlagt wurde. Die Open-Source-Technologie ist zudem transparent. Mit 600 Milliarden Dollar verlor Nvidia an einem Tag mehr Marktkapitalisierung als je eine Aktie in der Geschichte zuvor. Auf Wochensicht büßte der Aktienkurs des KI-Chip-Designers 15,8 Prozent ein und beendete den Januar mit einem Rückgang um 10,6 Prozent. Mit Microsoft rutschte eine zweite Aktie aus dem Kreis der „magnificent seven“ in Reaktion auf den DeepSeek-Schock gegenüber dem Jahresbeginn in die Verlustzone.

In einigen Kommentaren wurde die Nachricht aus China als „schwarzer Schwan“ eingestuft – als völlig überraschend, weil nicht einmal bekannt gewesen sei, dass so etwas möglich ist. Das mag bei einigen technischen Details so sein. Dass KI-Anwendungen aber auch ohne Online- Verbindung zu einem Großrechenzentrum auf Endgeräten ohne teure Nvidia-Chips laufen und dabei erstaunlich wenig Datenspeicher benötigen, konnte man durchaus vorher wissen. Die KI-Euphorie vieler Aktienanleger war so überzogen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis eine Nachricht für eine Korrektur der überzogenen Bewertungen sorgen würde.

Immer, wenn die Mehrheit der Anleger lange mit dem Strom schwimmt, wachsen die Risiken. Das bislang wertvollste Unternehmen der Welt, Nvidia, büßte auf einen Schlag fast 600 Milliarden Dollar an Wert ein. Ein Verlust, der sich auf Millionen von Aktienanleger weltweit verteilt, denn es gibt kaum Depots, die nicht direkt oder indirekt über Aktienfonds, insbesondere ETFs, in Nvidia investiert sind. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass die Wachstumsstorys aller „magnificent Seven“ gleichzeitig wie Blasen zerplatzen, aber schon kleine Kratzer im Lack dieser Geschäftsmodelle führen zu einer Neubewertung, die Hunderte von Milliarden Dollar tiefer liegt. Welche der gehypten Aktien sich solchen Korrekturen entziehen kann, ist schwer zu sagen. Jetzt führt Apple wieder die Liste der wertvollsten Unternehmen an. Die jüngst veröffentlichten Geschäftsergebnisse waren sehr gut und die Aktie profitierte sogar davon, das verunsicherte Nvidia-Anleger zu Apple umschichteten.

Die DeepSeek-Nachrichten bedeuten nicht, dass der Boom um die Künstliche Intelligenz (KI) geringer eingeschätzt werden sollte, ganz im Gegenteil: Wenn KI viel weniger Ressourcen benötigt, als viele bisher geglaubt haben, wird der Einsatz von KI noch schneller und weitreichender geschehen. Wie so oft in der Börsengeschichte wird der Bedeutungszuwachs einer neuen Technologie von vielen eher unter- als überschätzt. (Es sei an die Aussage erinnert, die dem Autopionier Gottlieb Daimler um 1895 zugeschrieben wird: „Es werden höchstens 5000 Fahrzeuge gebaut werden. Denn es gibt nicht mehr Chauffeure, um sie zu steuern.“).

Den großen Fehler machen Anleger immer dann, wenn sie glauben, die aktuell führenden Konzerne seien mit Sicherheit auch in fünf oder zehn Jahren noch die größten Gewinner einer (richtig prognostizierten) Entwicklung: 1970 glaubte man, Polaroid stehe als Gewinner fest, wenn immer mehr fotografiert würde, und IBM werde der Sieger zunehmenden Computereinsatzes sein; 1989, dass Sony als größtem Gewinner der Unterhaltungselektronik erfolgreiche Jahrzehnte bevorstünden, 1999, dass Nokia und Ericsson als Weltmarktführer im Mobilfunk Gewinnmaschinen der kommenden Jahrzehnte sein müssten, Cisco Systems an der Spitze der wertvollsten Konzerne der Welt bleiben würde, weil das Internet weiter an Bedeutung gewinnen werde. Immer, wenn man sich sicher war, unter den erfolgreichen Konzernen den Hauptprofiteur einer Technologie ausgemacht zu haben, war es besser, dessen Aktien zu verkaufen, statt sie zu kaufen. Warum? Weil zu diesem Zeitpunkt die Überzeugung der meisten Marktteilnehmer in Form einer hohen Bewertungsprämie im Aktienkurs enthalten ist. Und wenn das bestmögliche Szenario bereits im Aktienkurs eingepreist ist, ist eine Enttäuschung der hohen Erwartungen nur eine Frage der Zeit. Die Zeit sollte aber stets Verbündeter einer Strategie sein, nicht ihr Feind. Fondsanleger haben Anlass genug, ihre Aktieninvestments auf mögliche „Klumpenrisiken“ bei den „magnificent seven“ zu überprüfen.

Zurück