Während für die USA viele Experten eine Konjunkturschwäche, ja sogar eine Rezession erwarten, erholt sich die japanische Volkswirtschaft von den Krisen der vergangenen Jahre. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im vierten Quartal 2022 um 0,6 Prozent zu und erholte sich damit von einem revidierten Rückgang um ein Prozent im Zeitraum von Juli bis September. Entscheidend ist der Trendwechsel, der sich abzeichnet: Die Exporte nahmen um 5,7 Prozent zu, während die Importe um 1,6 Prozent sanken. Der Chefanlagestratege der Deutschen Bank, Ulrich Stephan, verwies unlängst auf den positiven Beitrag, den der Außenhandel damit zum japanischen Wirtschaftswachstum beiträgt. Er geht davon aus, dass die japanische Wirtschaft 2023 „gemächlich weiterwachsen“ wird. „Dies sollte das erwartete Gewinnwachstum börsennotierter japanischer Firmen von etwa vier Prozent stützen“, sagte Stephan.
Auf makroökonomischer Ebene dürfte der Sieg über die Deflation wohl der entscheidende Treiber für den Markt sein. Die überraschende Anpassung des Kontrollmechanismus für die Zinskurve durch die japanische Notenbank dürfte sich positiv auf das Geschäft japanischer Banken auswirken und könnte indirekt der ganzen Volkswirtschaft helfen.
Aufmerksamen Investoren ist nicht entgangen, dass die Holding Berkshire Hathaway von Starinvestor Warren Buffett ihre Beteiligung an fünf japanischen Handelskonzernen, den sogenannten "Sogo Shosha" deutlich ausgebaut hat. Dabei handelt es sich um Konglomerate, die - ähnlich wie Buffetts Berkshire Hathaway - in einer Vielzahl von Bereichen aktiv sind. Sie importieren unter anderem Metalle, Lebensmittel oder Textilien in das ressourcenarme Japan, bieten aber auch Dienstleistungen für das produzierende Gewerbe an. "Wir glauben, dass diese fünf Unternehmen nicht nur einen Querschnitt Japans, sondern der ganzen Welt darstellen", sagte Buffet. "Sie sind Berkshire wirklich so ähnlich. Sie besitzen viele verschiedene Dinge". Zusätzliche Investitionen in Japan seien "immer eine Frage der Überlegung". Dass er sich momentan auf die fünf großen Handelshäuser konzentriert, dürfte aber auch deren attraktiver Dividendenpolitik und Aktienrückkaufprogramme geschuldet sein. Zudem sind die Handelshäuser ähnlich seiner Berkshire Hathaway auch als Investmentfirmen aktiv. Analysten erklärten, Buffetts Interesse sei eine Erinnerung daran, dass es in Japan attraktive und preisgünstige Anlagemöglichkeiten gebe. Ausländische Investoren könnten ermutigen werden, in japanische Aktien zu investieren.
Einen weiteren Treiber für den japanischen Aktienmarkt nennen Fondsmanager: Japanische Unternehmen kaufen in hohem Umfang ihre eigenen Aktien zurück. Während diese Maßnahme bei hochbewerteten US-Tech-Konzernen kritisch hinterfragt werden muss, ist der Rückkauf eigener Aktien zu Kursen unter Buchwert, also unter dem auf jede Aktie entfallenden Eigenkapital, die konsequenteste und einfachste Methode, Shareholder-Value zu schaffen. Sogar die japanische Notenbank ist seit Jahren als Käufer am Aktienmarkt aktiv.
Schließlich spricht auch die markttechnische Analyse für einen Einstieg in den japanischen Aktienmarkt: Seit Beginn des neuen Fiskal- und Geschäftsjahres im April zeigt die japanische Börse relative Stärke: Im Mai verließ der Nikkei-225-Index mit einem kraftvollen Aufschwung die seit 2021 anhaltende Seitwärtsbewegung und signalisiert den Beginn eines Aufwärtstrends. Mit über 31.000 Indexzählern wurde der höchste Stand seit 1990 erreicht. Die historischen Rekordwerte knapp unter 40.000 erscheinen nicht mehr unerreichbar. Mit dem Unterschied, dass vor 34 Jahren viel Euphorie herrschte, jetzt noch große Zurückhaltung.