Welche Asset-Klasse könnte 2024 positiv überraschen ohne riskante Wetten auf exotische Nischenmärkte einzugehen? Eine Voraussetzung ist ein gewisses Desinteresse der meisten Anleger – bei gleichzeitig ermutigenden Fundamentaldaten. Diese Kombination findet sich aktuell bei Schwellenländer-Anleihen. Nach etlichen enttäuschenden Jahren haben sich viele Investoren aus diesem Segment entweder ganz zurückgezogen oder zumindest das Gewicht in ihrer globalen Asset-Allocation verringert. Tatsächlich dürften bei Emerging Markets Debt („EMD“), wie die Asset-Klasse auf Englisch bezeichnet wird, „die Bäume nicht in den Himmel wachsen“. Nachdem viele Investoren EMD aber inzwischen völlig ausblenden, hat sich das Rendite / Risiko – Verhältnis deutlich verbessert.
So sieht die US-Investmentgesellschaft Fidelity aktuell „nach wie vor“ eine relativ hohe Bewertung, verweist aber darauf, dass in einigen Schwellenländer die Geldpolitik bereits gelockert werde. Die Fundamentaldaten der Schwellenländer hätten sich zuletzt nicht wesentlich verändert. Aber die stabileren Aussichten für China und die US-Geldpolitik dürften die Kursschwankungen zurückgehen lassen, was Carry-Trades begünstige. Währungen aus Schwellenländern erschienen aufgrund vorteilhafter Fundamentaldaten wie sinkender Inflation und hohen Renditen attraktiv. Konkret bevorzuge man bei Staatsanleihen und Währungen aktuell lateinamerikanische Hochzinspapiere, darunter aus Kolumbien, Mexiko und Brasilien.
Auch Michael Vander Elst, Portfolio Manager bei Degroof Petercam AM, nannte unlängst Gründe für Schwellenländeranleihen in Lokalwährung: Für sie spreche der Carry, also der Nettoertrag, der sich beim Halten der Anleihen ergibt. Dieser liege bei 75 Basispunkten pro Monat. Selbst wenn die Zinsen binnen Jahresfrist noch einmal um 145 Basispunkte steigen, wären Anleger damit noch im Plus, rechnet er vor. Die Zentralbanken der Schwellenländer hätten den Zinszyklus angeführt und würden jetzt dank attraktiver Realzinsen über geldpolitischen Spielraum verfügen. „Sie werden auch den Senkungszyklus anführen, mit Ausnahme von Asien.“ Der DPAM-Fondsmanager hält neben Lokalwährungsanleihen aus Südafrika vor allem Papiere aus den beiden ökonomischen Schwergewichten Lateinamerikas – Brasilien und Mexiko – für attraktiv, „wo die Wirtschaft nach wie vor wächst." In Asien lägen die Renditen dagegen oftmals unter denen von US-Staatsanleihen. Auch ein Blick in die Historie ermutigt dazu, jetzt über EM-Anleihen nachzudenken: Im Jahr nach einem Höchststand bei den US-Zinsen hätten diese Anleihen stets zweistellige Renditen erzielt. Zudem würden positive Jahre in dieser Assetklasse häufig „sehr“ positiv ausfallen. Dagegen sei das Abwärtsrisiko begrenzt. Ein politisches Risiko ergebe sich aus der Vielzahl an Wahlen, die in den Schwellenländern in der ersten Hälfte des Jahres 2024 anstehen, u.a. in Taiwan, Indonesien, Mexiko und Südafrika.
Auch bei der Capital Group präferiert man in den Schwellenländern aktuell Lokalwährungsanleihen, erwartet man doch neben der laufenden Rendite („Carry“) Kursgewinne aufgrund des zu erwartenden Zinsrückgangs. Bei Hartwährungsanleihen sei der Spread von Ländern mit Investment-Grade-Rating weniger attraktiv, im High-Yield-Segment dagegen die Risiken zu hoch, erklärt Peter Becker, Investment Director bei Capital Group.
Anleger, die nach dem starken Zinsanstieg Opportunitäten an den Rentenmärkten suchen, sollten sich nicht von den mäßigen Ergebnissen der vergangenen Jahre abhalten lassen, Anleihen aus Schwellenländern als Depotbeimischung ins Auge zu fassen. Ausgerechnet das Universum der Lokalwährungsanleihen bietet aktuell ein attraktives Rendite / Risiko – Profil.